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Die Not-wendigkeit des Innehaltens und Verweilens bei dem, was ist.

Petra Maria Hothum SND, August 2020

Bei der Vermittlung und Einübung unserer Meditationsweise spielt in den Ashram-Kursen neben den einführenden Anleitungen eine regelmäßig stattfindende halbstündige Gesprächsrunde eine wichtige Rolle. Sie steht unter der Fragestellung: „Wie geht es mir in der Meditation?”, und die Teilnehmenden haben hier die Möglichkeit, ihre ganz konkreten Erfahrungen, Fragen und Schwierigkeiten mit dem Meditieren mitzuteilen und Hilfestellungen v.a. methodischer Art zu erhalten. Verschiedenste Aspekte kommen in diesen Runden zum Tragen, aber eines wird immer wieder sehr deutlich, wie stark nämlich beim Meditieren unsere Neigung zum Machen- und Etwas-Herstellen-Wollen ist. Und umgekehrt: wie schwer es uns fällt, in dieser Zeit der Stille einfach in der Wahrnehmung dessen zu verweilen, was wir jeweils von uns merken.

So sehr wir uns einerseits genau danach sehnen, da sein zu dürfen, wie wir sind, mit dem, was gerade ist, so sehr erleben wir uns andererseits angetrieben von dem Bestreben, das, was wir jeweils vorfinden, direkt einzuordnen gemäß unserer Vorstellungen, wie die Meditation, wir selbst, eine Situation, andere … sein sollten. Und entsprechend wirken wir darauf ein: Wenn das, was wir bei uns erleben, uns gefällt, ordnen wir es als passend, angenehm oder bereichernd ein und streben unwillkürlich danach, es zu halten und zu vertiefen …; wenn uns das Erlebte jedoch schwierig, unangenehm, unpassend oder ungenügend erscheint, dann setzen wir ebenso unwillkürlich alles daran, es abzuwehren, zu vermeiden, zu verändern … – das alles oft, ohne dass uns so recht zu Bewusstsein kommt, was wir da eigentlich tun. Merken wir es oder werden darauf aufmerksam gemacht wie etwa in besagten Gesprächsrunden, dann kann dies eine wichtige Schaltstelle sein. Sie ermöglicht uns an- und innezuhalten, diesen wie selbstverständlich eingefleischten Mechanismus zu unterbrechen und uns wieder neu einzulassen auf das Wahrnehmen und Verweilen bei der eigenen Wirklichkeit hier und jetzt mit all ihren Facetten.

Doch warum ist das so bedeutsam?

Mit dem beschriebenen spontanen Einwirken-Wollen auf das, was wir bei uns vorfinden, vermeiden wir den unmittelbaren Kontakt damit und müssen so die ausgelösten Empfindungen nicht spüren. Wir bleiben auf diese Weise letztlich „in den guten und in den bösen Stunden hängen”, um mit Worten aus einem Text des Jesuiten Alfred Delp zu sprechen, der uns im Ashram Jesu sehr wichtig ist. „Wir erleben (diese Stunden) nicht durch bis zum Brunnenpunkt, wo sie aus Gott hervorgehen”. Ganz gleich, ob wir etwas festhalten oder ob wir es loswerden wollen und spontan die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, bleibt unsere Aufmerksamkeit damit gebunden im Außen und an der Oberfläche. Eine Chance zur inneren Begegnung mit dem, was jeweils ist, kann es nur im Durcherleben, also im wahrnehmenden Verweilen bei der Wirklichkeit hier und jetzt geben, bei dem man an sich heranlässt, was immer an Empfindungen damit verbunden ist. Dieser Weg führt in die Tiefe, zum Brunnenpunkt, wo das, was ist, aus Gott hervorgeht. Auf diesem Weg kann sich aus der Mitte der Person heraus etwas klären, lösen und wandeln in einer Weise, wie es an der Oberfläche nicht möglich ist. Und dies wiederum ermöglicht ein neues, vertieftes Handeln in Gegenwärtigkeit und Freiheit. Das aufmerksame, geduldige, liebevolle Verweilen bei dem, was ist, ist also nicht nutzlose Selbstbespiegelung, Passivität oder gar Stillstand, sondern letztendlich ein lebensnotwendiger Prozess.

„In allem” – so noch einmal Alfred Delp – „will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort.” Alles, was ist, ist es also wert, gesehen, wahrgenommen und durchlebt zu werden, um so je neu zu einer Antwort aus der Mitte der Person zu finden. – Eine solche Antwort und ein solches selbstverantwortliches Handeln aus dem Kontakt mit dem eigenen Inneren scheint gerade jetzt in diesen verunsichernden, ja z.T. bedrohlichen Zeiten von besonderer Bedeutung zu sein. Von daher ist auch das An- und Innehalten und das Verweilen bei der eigenen Wirklichkeit gerade jetzt besonders not-wendig.