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Weihnachten

Bertram Dickerhof SJ, Dezember 2016

Was für eine Welt, in der wir Weihnachten feiern! Sollen wir uns nun in Tannenduft und Kerzenschein und Träume von Frieden und Freude flüchten – oder flüchten wir vor allen diesen weihnachtlichen Bräuchen und Worten, um die Spannung von Sehnsucht und enttäuschender Realität nicht erleiden zu müssen? Vielerorts Willkür, Gewalt, Betrügereien großen Stils, Korruption, Populismus, Menschenverachtung, Völkermord, dazu die grassierende Überforderung. An dieser Welt Rand war Weihnachten schon immer: der Immanuel – Gott mit uns, – Jesus, wurde nicht in Rom, nicht einmal in Jerusalem, nicht einmal in einer menschlichen Behausung geboren, wie Lukas schreibt.

Nein, Weihnachten scheint nicht in diese Welt zu passen! Eigentlich kann es auch anders nicht sein: Der „Gott mit uns” und unsere erlösungsbedürftige Welt sind Gegensätze. Gottes Friede und Gottes Freude sind durch menschliche Mittel nicht herstellbar. Diese taugen oft nicht einmal für eine Waffenruhe.

Von innen her befreit und erfüllt den Menschen Gottes Heil. Weihnachten kommt erst an Ostern zum Ziel. Und Ostern gibt es nur durch den Karfreitag hindurch. Während wir wie alle Säugtiere beim Anschein einer Gefahr angreifen oder fliehen oder uns totstellen und damit das Störende und die Spannungen von uns fern zu halten suchen, hat der Immanuel freiwillig und bewusst sein Kreuz getragen, d.h. alles, Spannung und Tod und Angst, an sich herangelassen, sich alledem gestellt, alles von innen her durchlebt. Während wir die Oberfläche und das Äußere zu unserem Bezirk machen, da wir glauben, sie beherrschen zu können und dort sicher zu sein, hat Er Kontrolle und Sicherheit gelassen in restlosem Vertrauen, so wie das Kind in der Krippe sich vorbehaltlos und offen dem Leben überlässt, und die Tiefe zu seinem Reich gemacht.

Von dort, aus dem getragenen Kreuz, kommen wirklicher Friede, wahre Freude, echte Liebe. Von dort erwachsen dem Leben Perspektiven und Handlungsimpulse, die ewiges Leben in unsere Zeit inkarnieren. Wir feiern, dass Gott uns diesen Weg eröffnet hat. Aber wir müssen ihn auch gehen.

Vielleicht dürfen Euch folgende Zeilen durch Weihnachtszeit und Neues Jahr begleiten:

Man muss den Dingen
die eigne, stille,
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann:
Alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind,
als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit …

Man muss Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben. …

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.

— Rainer Maria Rilke

„Es handelt sich darum, alles zu leben.”

Lasst uns also mit Zuversicht durch diese Tage gehen.