Bertram Dickerhof SJ, April 2014
Eine große Schwierigkeit, die sich dem Glauben an Ostern entgegenstellt, ja überhaupt dem christlichen Glauben, ist unser modernes Realitätsbewusstsein. Danach ist Realität „nur“, was objektiv ist, am besten immer wieder herstellbar und beobachtbar. Mit der Aufklärung setzten Bemühungen ein, die Auferstehung Jesu als objektives, historisches Ereignis zu rekonstruieren und zu ergründen, ob das Grab tatsächlich leer war. Überzeugend finde ich sie nicht, sie können es auch kaum sein. Wie soll eine Auferstehung, die nicht Rückkehr ins irdische Lebens ist, auch nicht ein bisschen, eine historische Tatsache sein können? Zugegeben: auch ich finde es nicht so leicht, sich damit abzufinden, dass die Auferstehung keine historisch-objektive Tatsache ist.
Nehmen wir aber mal an, es sei so. Jesus ist gestorben und begraben worden. Was weiter mit ihm geschieht oder nicht geschieht, klammern wir zunächst einmal ein. Was bleibt dann übrig von Ostern? Übrig bleibt eine geistliche Erfahrung der Jünger. Spirituelle Erfahrungen gibt es unterschiedlichster Art. Diese hier aber ist speziell: Sie macht aus einer sich auflösenden Gruppe ängstlicher, enttäuschter Jünger mutige Bekenner. Sie hat folgende Charakteristika:
- Die Jünger gehen im Vertrauen mit Jesus nach Jerusalem, gehen damit in ihre Angst vor dem Tod hinein und erleben ihre hilflose Panik und Flucht angesichts von Jesu Verhaftung.
- Sie müssen alle Vorstellungen loslassen, die sie sich von Jesus als Propheten, vielleicht sogar als Messias, und ihrem Leben an seiner Seite gemacht hatten. „Wir aber hatten geglaubt, dass er es sei, der Israel erlösen würde“, resümieren die Emmausjünger enttäuscht auf dem Weg fort von Jerusalem. Ihre Vorstellungen und Hoffnungen sind an der Realität des Kreuzes zusammengekracht wie ein Kartenhaus.
- Diesen Kreis von Menschen und Paulus trifft eine Erfahrung ihrer eigenen Auferstehung, als sie gar nicht damit rechnen, geschweige denn ihre Akteure sein könnten: die Frauen am Ostermorgen wollten salben oder das Grab sehen, als das Himmlische unvermittelt in ihr Leben einbricht, Paulus war mit Christenverfolgung und der Geltung der Tora beschäftigt.
- Die Struktur dieser spirituellen Erfahrung ist stets: Zuwendung und Annahme durch Gott, Mitteilung von Erkenntnis und Liebe und eine dem entsprechende Handlungsperspektive.
- Doch heben die Jünger nicht ab. Aufkommende esoterisch-gnostische Fabeleien werden sie zurückweisen. Sie bleiben geerdet. Ihre Auferstehungserfahrung bewährt sich im Zeugnis und in der dienenden Liebe.
Spirituelle Erfahrungen dieser Art machen Menschen durch die ganze Geschichte, über den ganzen Erdball, wenn sie bereit sind, sich auch den „tödlichen“ Wirklichkeiten ihres Lebens zu stellen, ihre Vorstellungen dabei loslassen und annehmen, was ist. Wie die Jünger, erfahren sie an sich selbst, wovon Jesus gesprochen hat: die Nähe des Reiches Gottes, ein Angeld ewigen Lebens, einen Zugang zu Gott, die Hoffnung, im Tod nicht unterzugehen. Kurz: Auferstehung. Im Ernst: ist das nicht genug, um leben und sterben zu können?
Offen bleibt jetzt nur das persönliche Schicksal des gekreuzigten Jesus. Hier kommt das Besondere der spirituellen Erfahrung der Auferstehungszeugen Jesu zum Tragen. Ihnen widerfährt eine besondere Auferstehungserfahrung. Sie ist sowohl zeitlich als auch auf einen bestimmten Personenkreis begrenzt (1 Kor 15, 5-8) mit dem inhaltlichen Kern „Gott hat ihn (Jesus) von den Toten erweckt“ (Röm 10,9). Wenn schon die Jünger Jesu Auferstehung erfahren, sollte dann nicht der Protagonist auf diesem Weg, Jesus, erst recht in das Leben Gottes eingegangen sein? Dies zu glauben, fällt mir nun nicht mehr so schwer, und das wünsche ich auch Euch.