Bertram Dickerhof SJ, März 2014
Wenn die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift beim Imperativ endet, genügt es nicht. Es ist zwar gut, immer wieder daran erinnert zu werden, z.B. sich zu versöhnen, barmherzig auch gegenüber den Gegnern zu sein usw. Auch ist es notwendig, diese Imperative immer wieder zu hören, wo doch so viele Botschaften um unser Gehör ringen. Aber das allein genügt nicht. Im Getriebe des Alltags ist solch ein Appell schnell vergessen. Woher sollen außerdem die Kraft und der Sinn zur Selbstüberwindung kommen? Das Gebet ist es, das nötig ist – irgendwie in der Form, wie es im Ashram Jesu praktiziert wird: als Verweilen bei dem, was man je jetzt von sich selbst spürt, von seinem Körper, seinen Gefühlen, seinen inneren Empfindungen, von seiner momentanen geistigen Haltung. Bei solchem Gewahrwerden kommt der Beter in Kontakt mit sich selbst, wie er gerade ist, und erfährt Annahme. Das entlastet und lässt aufatmen. Im Durchleben der inneren Bewegungen klären sich diese und können unterschieden werden. Die komplexe äußere Situation und die eigenen Möglichkeiten werden deutlicher. Ihm tut sich die Wahl auf, zu welchem Menschen er sich nun bestimmen und wie er sich also verhalten will. Wer innehält, gewinnt dadurch Freiheit gegenüber den Mächten des blinden So-und-So-Reagieren -Müssens. Und er spürt die Kraft, die ihm aus der Tiefe zufließt. Denn das Durchleben der Stunden, gleich ob gut oder böse, führt schließlich zu dem „Brunnenpunkt, an dem alle Stunden aus Gott hervorgehen.“ (Delp).
Das gilt für den Christen, aber das gilt für jeden Menschen, der nicht einfach vom Regime dessen, was in der Luft liegt an Meinungen und Trends, bestimmt werden will, sondern sein Leben selbst gestalten möchte. In dieser Weise innezuhalten ist auch dem möglich, der nicht an Gott glaubt.
Weil dieses Innehalten so wichtig ist für das Gelingen des eigenen Lebens, möchte ich es Euch wieder für die Fastenzeit ans Herz legen. Sollte nicht doch im Alltag ein Winkel zu entdecken sein, in dem die Schlagzahl des Lebens verlangsamt und die eigene Person besucht werden kann?
Entlastend und klärend wirkt auch ein Gespräch, in dem man sich selbst zum Thema machen kann und Resonanz erfährt. Vielleicht wäre dies eine weitere Möglichkeit des „Fastenprogramms“ bis Ostern? Wie könnte es wohl tun, vor einem annehmenden Zuhörer /einer annehmenden Zuhörerin einmal ausbreiten zu können, womit man sich herumschlägt und abquält, was einen belastet und mürbe macht. Wenn diese Vorstellung Raum gewinnen darf, dann werden auch mögliche Gesprächspartner*innen einfallen und der heilsame Ruck sich einstellen, der dazu nötig ist.