Petra Maria Hothum SND, Juni 2022
Immer wieder hält die Natur rund um den Ashram Jesu spezielle „Schönheiten” und Überraschungen bereit. So vor ein paar Jahren dieses schlichte und doch eindrückliche Bild von Leben und Hoffnung: eine kleine, leuchtende Blume, die inmitten der Enge und Bedrängtheit durch die Pflastersteine in unserem Hof einen Weg gefunden hat, zu wachsen und sich zu entfalten. Sie hätte wohl nie einen Preis gewinnen können für vollkommene Schönheit und Perfektion und wurde vermutlich von vielen Vorübergehenden gar nicht erst wahrgenommen. Aber den einen oder die andere hat sie doch in ihren Bann gezogen und eingeladen, genauer hinzuschauen und ihren Anblick auf sich wirken zu lassen. Und auch als wir vor ein paar Jahren Bild-Motive ausgewählt haben für die Info-Wände unseres Ashram-Stands beim Katholikentag, war das Foto dieser kleinen Blume mit dabei.
Für mich spricht es von Annahme, selbstverständlichem Dasein, Lebenskraft inmitten von dem, was ist. Diese kleine Blume ist unspektakulär und erregt kein großes Aufsehen. Aber sie ist da, einfach da – so wie sie ist: mit beschädigten Blütenblättern, mit ihrem Schatten, umgeben von Steinen, etwas Gras, Unkraut, Schmutz … und zugleich beschienen von der Sonne und selbst leuchtend. Sie ist versehrt und wirkt dennoch kraftvoll. Dass sie nicht ohne Blessuren davongekommen ist, tut ihrer Strahlkraft keinen Abbruch, vielmehr verleiht es ihr eine ganz eigene Würde. Es wirkt, als gehöre diese Blume genau dorthin, als habe sie ihren Platz gefunden und angenommen – inmitten von alldem, was ebenfalls da ist, was dort auch noch wächst und herumliegt, was vielleicht herumkriecht, an ihr schnuppert und nagt.
Das Bild dieser kleinen Blume kann einladen,
- sich selbst und der eigenen Wirklichkeit darin zu begegnen …
- der eigenen Sehnsucht nachzuspüren – nach Dasein-Dürfen, Annahme, Leben …
- der eigenen Bedrängnis und Versehrtheit mit allen damit verbundenen Empfindungen Aufmerksamkeit zu schenken und dabei zu verweilen …
- den eigenen Platz mit seinen Grenzen und Möglichkeiten mehr zu entdecken, zu würdigen, einzunehmen …
- sich selbst einfach da sein zu lassen mit allem, was ist …
- und: in alldem den Grund aller Wirklichkeit zu erahnen, aus dem Hoffnung und Leben erwachsen – auch und gerade inmitten von Bedrängendem.
Vielleicht kann gerade die vor uns liegende Zeit des Sommers und Urlaubs Chancen bieten, uns zu öffnen für die kleinen und großen „Schönheiten” der Natur, in ihnen Bilder des Lebens zu entdecken, uns selbst darin zu begegnen und dem, worin unser Leben zutiefst gründet. Das jedenfalls wünsche ich uns allen von Herzen!