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Elija: vom Kämpfen-Müssen zum Sein-Dürfen

Bertram Dickerhof SJ, April 2021

Schon immer hat mich die Gestalt des Elija fasziniert (1 Kön 17-19; 2 Kön 1-2). Ein Kämpfer und Heroe des Herrn ist er, der von sich selbst sagen kann: „Mit leidenschaftlichem Eifer bin ich für den HERRN, den Gott der Heerscharen, eingetreten, weil die Israeliten deinen Bund verlassen, deine Altäre zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet haben“ (1 Kön 19,10.14). Engagement, Courage, kein Dienst nach Vorschrift. Bewundernswert! In der Auseinandersetzung mit den Baalspropheten, Priester einer auf Wirtschaftswachstum dynamisch und machtvoll ausgerichteten Kultur, siegt er schließlich. Da die Königin an dieser aber weiterhin festhält und die eigentliche Bestimmerin in Israel ist, hat Elija zwar eine Schlacht gewonnen, den Krieg jedoch verloren. Er muss um sein Leben fürchten und flieht in die Wüste. Dort möchte er sterben, erschöpft und niedergeschlagen, wie er ist, ungenügend, wie er sich fühlt: „Ich bin nicht besser als meine Väter“ (1 Kön 19,4). Doch irgendwie erlebt er einen Umschwung. In ihm beginnt eine Kraft zu wirken, die ihm eine Perspektive verheißt und ihn immer weiter in die Einsamkeit, Stille und Leere der Wüste hineinzieht. Dieser Weg des Innewerdens ernüchtert und öffnet ihn zugleich, so dass ihm eine Erfahrung möglich wird, die seine Welt auf den Kopf stellt: Nicht im die Berge zerreißenden und die Felsen zerbrechenden Sturm, nicht in Erdbeben oder Feuer ist Gott. Elija muss seine Gottesvorstellung aufgeben. Ein „sanftes, leises Säuseln“ ist es, worin ihm Gott erscheint. Für die Diener des Baal ist klar, dass nur zählt, was unterm Strich rauskommt. Aber auch Elija ist mit diesem Denken imprägniert – „nicht besser als die Väter“ – und daran gescheitert. Durch das sanfte und leise Säuseln des Windes, das ihm in der glühenden Hitze der Wüste Kühlung zuhaucht, geht ihm auf: ich darf sein, weil ich unabhängig von Sieg oder Niederlage bejaht und gewollt bin, ebenso wie die blinde, in ihr Verderben laufende Welt. Selbst was nicht sein sollte, nun aber doch ist, muss nicht anders sein, weil diese Welt von Gott gewollt und bejaht ist. Das bedeutet nun nicht Laufenlassen und Faulheit, sondern die Freiheit, unwillkürliche Reaktionsmuster zu durchbrechen.

In der Tat wird Elija mit neuen Aufträgen zurück in die Welt gesandt. Aber er ist nicht mehr davon getrieben, das eigene Ungenügen wegkriegen zu müssen. Ein solcher Antrieb mündet bei Schwierigkeiten schnell in „leidenschaftlichen Eifer“ oder gar Verbissenheit. Diese polarisieren und verpassen den Parteien einen Tunnelblick, der Kompromiss, Kreativität und Handlungsenergie blockiert. Vielmehr lebt und wirkt Elija nun aus Vertrauen und Verdanktsein: Vertrauen, dass Gott an der Arbeit ist, seine Schöpfung zu retten, entgegen allem Anschein: denn Gottes Pläne und Wege sind so hoch erhaben über unseren, wie der Himmel über der Erde (Jes 55). Sein Leben als Geschenk und sich selbst als gewollt und als Segen für die Welt – d.h. als verdankt – zu verstehen, macht es möglich, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und in einer spielerischen Leichtigkeit zu handeln. So entstehen Lösungen, die wirklich lösen.

Auch unsere Gegenwart ist alles andere als rosig. Da ist durchaus etwas zu tun für jeden von uns. Aber nicht aus dem Zwang eines vermeintlich rationalen Zusammenhangs, wie jenem, dem der frühere Elija unterworfen war: „wenn erst einmal die Baalspropheten über die Klinge gesprungen sind, dann wird Israel wieder zu Jahwe zurückkehren.“ Umkehr ist angesagt. Meditation ist ein Weg, auf dem Vertrauen und die Erfahrung unbedingter Bejahung wachsen. Daraus sprosst die Freiheit, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen, sie zu durchleben bis auf den Grund und zu tun, was sich dort als zu tun offenbart