Bertram Dickerhof SJ, Dezember 2019
Antonio Guterres wählte auf der Madrider Klimakonferenz deutliche Worte, um das Ausmaß der Krise aufzuzeigen. Zurzeit zerstöre die Menschheit wissentlich die Ökosysteme, die sie am Leben erhalten, beklagte Guterres. „Wir müssen endlich zeigen, dass wir es ernst meinen damit, den Krieg gegen die Natur zu beenden. Wenn wir nicht schnell unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich”, sagte er.
Das ist also das Ergebnis der Weise, uns zu ernähren, uns fortzubewegen, zu wohnen und überhaupt zu leben. Überraschend kommt das nicht. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat der Club of Rome auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen. Genutzt hat es nichts. Die Weltgemeinschaft beschäftigt sich seit 1992 mit dem Klima, fasst Beschlüsse zur Reduktion des CO2-Ausstoßes, was diesen nicht hindert, seitdem um 69% anzusteigen. Die Grenzen des Planeten zu respektieren, fällt dem Menschen, der auf Erfüllung angelegt ist und diese in irdischen Gütern sucht, deswegen so schwer, weil er sie in ihnen letztendlich nicht findet und deswegen immer mehr haben muss, Besseres, Neueres, Modischeres… Nun ist die Menschheitsgeschichte an dem Punkt angekommen, an dem offenkundig wird, dass der Mensch sich selbst und die Natur zerstört, wenn er wie bisher weiterhin seine erfüllte Welt anstrebt. Ob er in den Folgen des Kimawandels umkommt oder gut versorgt stirbt, in jedem Fall wird er es unerfüllt tun.
Es sei denn, er lebt im Geist der Weihnacht:
An Weihnachten feiern wir die Geburt eines Menschen, der seine Erfüllung nicht in dieser Welt anstreben musste: Jesus Christus war Gott gleich [dazu macht sich jeder, der seine erfüllte Welt erschaffen will], hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,6-8). Menschen wie ihn, die sich den Gesetzen der Erde unterwerfen und die Grenzen annehmen können, die aufgeben können, bleibende Erfüllung auf der Erde erstreben zu müssen, braucht die Menschheit heute. Jesus reift heran im Gehorsam. Gehorsam ist sein Charakteristikum. Dieser Gehorsam ist ein Prozess, der aus folgenden vier Schritten besteht:
Innehalten
Innewerden
Sich wandeln lassen
Tun
In diesen vier Schritten, so klein sie zu sein scheinen, schlägt das Herz des Christlichen, sie sind der Kern aller mystischen Traditionen der Weltreligionen. Sie sind das Lernprogramm bleibender Erfüllung. Im Innehalten wird der Mensch seiner Wahrheit inne, die er nur annehmen kann, wenn er seine illusionären und ichbezogenen Vorstellungen loslässt. Sich fallen lassen kann er jedoch nur, wenn er vom unbegreiflichen Geheimnis der Gottheit ergriffen ist. Sein Sturz befreit ihn zum Kontakt mit seinem wahren Selbst: das ist Christus. Durch ihn empfängt er den Geist Gottes, den er in seinem Tun in der Welt inkarniert. Die vier Schritte des Gehorsams führen in das trinitarische Leben Gottes.
Mehr als in den Jahren zuvor empfinde ich Weihnachten dieses Jahr als die Einladung, ernst zu machen mit der Umkehr, zu der der Zauber der Krippe und des neugeborenen Kindes uns einlädt und die Lage des Planeten uns zwingt, in der Hoffnung, die Erfüllung eines Lebens in Freiheit und Liebe in der trinitarischen Gottheit zu finden.