Bertram Dickerhof SJ, März 2017
Der Ashram Jesu ist entstanden als Antwort auf eine Frage, die mich seit gut 40 Jahren bewegt: wie kann man in unserer Gesellschaft als Christ leben? Die wichtigsten Elemente der Antwort möchte ich nennen; sie prägen den Ashram
- materiell einfacher, bescheidener. Wir leben in Deutschland auf einem Niveau, das weder allen Erdbewohnern zugestanden werden kann, noch möglich ist: die Ressourcen würden nicht ausreichen und das Ökosystem völlig zusammenbrechen. Unser Lebensstandard ist ungerecht und unsolidarisch. Um ihn freiwillig reduzieren zu können, braucht es andere Quellen von Zufriedenheit.
- Mehr oder weniger kosten die Gäste im Ashram eine solche andere Quelle der Zufriedenheit. Der Quellgrund ist ein entschleunigtes, achtsames Leben in Stille mit wenig Ablenkung: Das ermöglicht, in jedem Augenblick ganz da zu sein und in Kontakt mit sich selbst im Ganzen, im Sein zu leben. Es gibt einen Geschmack von Einheit mit sich selbst, mit anderen, mit der Natur und ihren Abläufen, mit Gott. Dieser achtsame, bewusste Kontakt mit dem eigenen Inneren vor einem offenen Horizont ist gleichzeitig eine Waffe gegen aufkommende Wünsche, Unruhe, Spannungen, schlechte Stimmung, schwere Gefühle und Antreiber aller Art. Er ist notwendig dafür, dass die Person ihr Leben selbst steuern kann, und nicht von anderen gelebt wird.
- Hilfreich ist die Struktur und damit der feste Platz, der der Meditation, der Betrachtung der Schriften, dem Dienst an den anderen und dem persönlichen Austausch gegeben wird.
- Einen zentralen Platz in dieser Struktur hat das Gebet. Ich verstehe es als Hören auf Gott, insofern die Meditierenden, offen für die eigene Wahrheit hier und jetzt, bei ihren inneren Bewegungen verweilen und sie unterscheiden. Dieser Weise der Meditation wohnt dieselbe Bewegung inne wie der Eucharistie, die sonntags gefeiert wird: empfangen, was das Leben bringt – die inneren Bewegungen sind „Abdruck” des Lebens auf das Innere, –sich selbst verwandeln lassen, und das in Christus Verwandelte austeilen an die Menschen und die Welt.
- Christsein heute ist für mich nur noch vorstellbar in Offenheit gegenüber anderen Religionen: Menschen aller Zeiten und aller Kulturkreise haben nach Gott, nach der letzten Wirklichkeit, nach einer Möglichkeit der Bewältigung der Lebensprobleme, z.B. von Krankheit, Alter und Tod, gesucht. Ihr Suchen und ihre Erfahrungen können uns Christen anregen, die Botschaft Jesu besser zu verstehen und zu leben, und die Vorbehalte gegenüber dem Fremden zu verlieren.
Diese Elemente kommen in allen unseren Angeboten zum Tragen, am deutlichsten in den „Grundübungen”. Wo das Alltagsleben mit seinen Ereignissen die eigene Identität ankratzt, schafft es einen Zugang zu ihrem Grund. Der Aufenthalt im Ashram enthüllt das Illusionäre und Egomane dieses Grundes und ermöglicht, die Identität mehr in Gott, dem grundlosen Grund zu gründen. Das ist eine Befreiung für den Menschen, der sonst gezwungen ist herzustellen, was er als unabdingbar für sein Selbstgefühl hält.