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Lotus und Kreuz
Bertram Dickerhof SJ, September 2015
Lotos und Kreuz sind Symbole für das Buddhistische resp. Christliche. Der Lotos, die einzige Gattung einer Pflanzenfamilie und damit einzigartig, liegt in seiner schlichten, reinen Schönheit auf dem Wasser. Das Wasser benetzt ihn, doch perlt es von ihm ab, so dass die Blätter des Lotos stets sauber bleiben. Er symbolisiert damit die Weise, wie der Erleuchtete durchs Leben geht: erhaben thront er auf den Wassern des Lebens und Leidens, die an ihm abperlen. So passt der Lotos gut in unsere Wohnzimmer, – solange zumindest, bis man sich daran erinnert, dass seine Wurzeln im Sumpf stecken: ein Sumpf, den die Pflanze weder verlassen noch trockenlegen kann; den sie braucht, um leben und ihre ganze Schönheit entfalten zu können; ein Sumpf, in den sie immer mehr hineingehen muss, um zu wachsen und zu gedeihen.
Diesen zweiten Gedanken bringt das Kreuz radikal zum Ausdruck: der Sumpf des Lebens, das Durchkreuzende, wo es einfach nicht klappt, wie man es sich wünscht oder vorstellt; wo Durststrecken und Belastungen zu bewältigen sind; wo Störungen hinzunehmen sind, seien sie familiärer, beruflicher oder politischer Art. Das Kreuz ist das „X” im Leben, das uns letztlich mit dem Tod konfrontiert. Und wie beim Lotos, der nur im Sumpf blühen kann, lautet auch die Aufforderung des Kreuzes (Christi), das Störende zunächst einmal zuzulassen und daseinzulassen; m.a.W.: es zu hören – nicht nur in Form eines Registrierens, sondern so, dass das Störende im Bewusstsein anwesen und das Alltagsleben begleiten darf: so lernt man es kennen, – nur so. Das Durchleben der Spannung ermöglicht Unterscheidung: der Horizont öffnet sich auf das Ganze hin und man findet seine Wahrheit und seine Verantwortung hier und jetzt heraus; so integriert sich die Botschaft des Störenden ins gelebte Leben – und führt dessen Blüte neuen Saft zu.
Soweit haben Buddhismus und Christentum also ähnliche Intuitionen. Doch was entspricht der Schönheit und Erhabenheit der Lotosblüte im Christlichen? Dem Symbol des Kreuzes mangelt jeder Anhaltspunkt für die als Frucht eines durchgetragenen Kreuzes bisweilen im Leib erfahrbare Einfachheit und Integriertheit und Gegründetheit und Freude des Erlösten. Oft genug bleiben solche Wirkungen auch aus, kein Lotos blüht, sondern zeitlebens bleiben Traumatisierung, Sinnlosigkeit und Untergang. Das das Christliche symbolisierende Kreuz verspricht keine innerweltliche Blüte. Und dennoch: Das Christliche könnte nicht ein Marterinstrument wie das Kreuz als Symbol der Erlösung ansehen, wenn aus dem Annehmen des Kreuzes im Alltag allein Untergang erwüchse. Die Botschaft des Kreuzes als Symbol ist, dass seine Erlösung und sein Heil gerade nicht abbildbar sind, da sie zwar real und erfahrbar, doch anders wirklich „sind” als alles, was wir als unsere Welt kennen. Karl Rahner sprach in diesem Zusammenhang immer wieder vom Sturz in den dunklen Abgrund, der das unbegreifliche Geheimnis Gottes „ist”.
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Flüchtlinge
Bertram Dickerhof SJ, August 2015
In diesem Jahr sind die Flüchtlinge, die zu uns kommen, ein dominantes Thema in der Öffentlichkeit. Die Aufgabe, mit ihnen umzugehen, wird vermutlich lange Thema bleiben, da die politischen und wirtschaftlichen Fluchtgründe in Afrika, dem Orient und vielen anderen Teilen der Welt fortbestehen, und die Aufnahme hier, in Europa, nicht selbstverständlich ist. Das waren Aufnahme und freundlicher Umgang mit Fremden nie. Auch in der Bibel kommt dieses Thema vor, keineswegs nur am Rande. Und die Bibel bezieht eine sehr klare Position. So heißt es beispielsweise in der Tora: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.” ( Lev 19, 33-34)
Der Tenor der Bibel Fremden, Armen und Flüchtlingen gegenüber ist durchweg freundlich. Erstaunlich ist jedoch, dass hier und an etlichen weiteren Stellen die Fremden nicht nur als Einwohner zweiter Klasse geduldet, sondern Einheimischen gleichgestellt, ja geliebt werden sollen, wie man sich selbst und seine Nächsten liebt. Eine Unterscheidung zwischen politisch Verfolgten und Armutsflüchtlingen, die die Bibel durchaus kennt, wird hier übrigens nicht getroffen: es ist einfach vom „Fremden” die Rede. An anderen Stellen erscheint der Umgang mit den Fremden und Schwachen als Maß für die Humanität der Gesellschaft (z.B. Sach 7, 9-11) bzw. wendet sich deren Inhumanität schließlich gegen diese selbst (Weish 19, 13f). Zur Begründung verweist der Text auf den Aufenthalt der eigenen Vorfahren in der Fremde: Ägypten, zunächst Ort der Rettung vor Hungersnot, wird allmählich zum Ort wachsender wirtschaftlicher und politischer Unterdrückung, bis die Enkel sich entschließen müssen, die „Fleischtöpfe Ägyptens” zurückzulassen und zu fliehen. Das Durchleben dieses Exodus ermöglichte den Hebräern eine Erfahrung, die für sie als Nation und für die Ordnung ihres Zusammenlebens von überwältigender Bedeutung war: die Erfahrung eines Gottes, der da ist und wirkt.
Wir dürfen nicht vergessen, dass auch aus Europa Menschen vor Hunger, politischer oder religiöser Verfolgung fliehen mussten und dass auch wir nur Fremde und Gäste sind in dieser Welt. Deswegen mahnt Petrus: „Gebt den irdischen Begierden nicht nach, die gegen die Seele kämpfen.” (1 Petr. 2,11). Ein solcher Widerstand wäre bitter nötig: Inzwischen sind wir eine der reichsten Regionen der Welt, die überproportional globale Ressourcen (Energie, Bodenschätze, Umwelt, Klima) verzehrt. Doch scheinen Besitzstandswahrung und Profitmaximierung allgemeines Gesetz zu sein. Ja, Gier macht unsere wahre Welt aus, die hinter den Fassaden unser Leben bestimmt. Sie veranlasst zu einem erbarmungslosen Umgang miteinander; man steht in Gefahr, andere für seine Zwecke auszunutzen – „und alle verlieren ihre Seele”, ihre Humanität, ihren Frieden.
Und da sind nun die Flüchtlinge mit ihrer Erfahrung, alles zurückzulassen. Natürlich haben sie Angst und Not erlebt, etliche sind traumatisiert. Doch vielleicht können manche anderes erzählen als nur den Schrecken. Vielleicht ist manchen, wie den Hebräern auf ihrer Flucht, etwas von Sinn und Hoffnung aufgeleuchtet, von einem realen, präsenten Gott. Den kann man nicht kaufen. So könnten sie uns eine Perspektive geben, die mehr ist als Wachstum und das Weitermachen im Hamsterrad der Gier, der Erschöpfung und des Sinnverlustes.
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Sich selbst sein lassen
Petra Maria Hothum SND, Juli 2015
In diesen Tagen erinnern mich die abgemähten Kornfelder mit dem noch auf ihnen befindlichen Stroh an eine grund-legende Erfahrung während meiner großen Exerzitien vor einigen Jahren: Während dieser vierwöchigen Intensiv-Zeit war viel mit und in mir geschehen, doch erlebte ich gleichzeitig Phasen der Unzufriedenheit, in denen ich diese positive Entwicklung überhaupt nicht sehen und schon gar nicht würdigen konnte.
Der Grund dafür erschloss sich mir erst spät: aus meiner theoretischen Kenntnis des Exerzitien-Prozesses heraus hatte ich mir – klammheimlich und mir selbst kaum bewusst – eine klare Zielvorstellung für diese Zeit entwickelt, hinter der ich jedoch hoffnungslos zurück blieb. Je mehr sich dies abzeichnete und die Zeit dahin ging, um so mehr wuchsen Unruhe, Anstrengung und Frustration. Gefangen in meiner eigenen Vorstellung, rannte ich dem vermeintlichen Ziel hinterher, um es sozusagen auf den letzten Metern doch noch irgendwie zu „schaffen” – aber vergeblich!
An einem der letzten Exerzitientage – es war sehr heiß – absolvierte ich meinen täglichen Spaziergang durch die Felder. Besser gesagt, ich schleppte mich matt und enttäuscht durch die Gegend und konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Als schließlich gar nichts mehr ging, ließ ich mich mit einem aufseufzenden „Schluss jetzt!” ermattet ins trockene Stroh am Feldrand sinken. Ich wollte und konnte nicht mehr: weder spazieren gehen, viel weniger aber noch meinem selbst konstruierten Ziel weiter nachlaufen. Müde und resigniert lag ich da, keine Ahnung, wie lange. Es war auch egal, da die „Schlacht” ohnehin verloren und ich mit meinen Vorstellungen gescheitert war. In diesem Moment der Kapitulation begann sich unmerklich etwas zu verändern. Die Fixierung auf die eigene Ziel-Vorstellung, die meinen Blick getrübt und meine Wahrnehmung total eingeschränkt hatte, lassend, kam ich langsam wieder in Kontakt mit mir selbst und meiner Umgebung: Ich lag im Feld – und nahm den Duft des Strohs wahr; ich lag am Boden – und merkte, dass er mich trug; ich lag in der Sonne – und spürte ihre Kraft und Wärme; ich lag einfach da – und musste nirgendwo ankommen; nichts fehlte, alles war da. Für einen wahrhaft gnadenhaften Moment konnte ich mich einfach sein lassen, wie ich war. Statt einem Idealbild genügen zu müssen, konnte ich mir gestatten, meine Wirklichkeit hier und jetzt wahrzunehmen, meinen Weg in meinem Tempo zu gehen und empfand eine unerklärliche, leise Freude daran, mich selbst sein zu lassen.
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Bei den Dingen, nicht in den Dingen
Bertram Dickerhof SJ, Juni 2015
Wer in jüngerer Zeit im Ashram gewesen ist, wird gestutzt haben, als er auf dem Dienste-Plan mehrmals täglich Karma Yoga zu lesen bekam, wo früher einfach „Arbeiten” stand. Karma Yoga ist Yoga des Handelns, Einheit mit sich selbst und Gott im Handeln, im Tun, durch die Arbeit, – freilich nur dann, wenn die Arbeit „das Anhaften aufgegeben habend” (Bhagavadgita II,48) getan wird.
Im entschleunigten und achtsamen Milieu des Ashram hat man gute Chancen zu merken, was einen beim Arbeiten alles bewegt: nämlich nicht nur Motive, die sich auf die Sache, sondern auch solche, die sich auf die Person des Arbeitenden beziehen, und letztere sind die interessanteren: So kann ein Gast beim Karma Yoga merken, dass er sich mehr als nötig anstrengt, – weil er seine Sache so gut machen will, dass andere es sehen und ihn loben. Oder er strengt sich an, weil er es auf einen Kick durch Leistung abgesehen hat. Eine andere Person mogelt sich an der Arbeit vorbei oder pfuscht; sie schmeckt ihr nicht und sie weicht vor der Unannehmlichkeit zurück. Ein dritter kommt nicht voran, weil sein Perfektionismus ihn gefangenhält. Oft ist es weniger die Sache selbst, die einen müde macht und unfrei, sondern solche persönlichen Motive, mit denen der Arbeitende an der Sache haftet. Diese „Anhaftung” – so die Bhagavadgita –verhindert, im Arbeiten mit sich und Gott in Frieden zu sein.
Ähnliche Gedanken finden sich auch im Christlichen: Meister Eckhart spricht davon, im Arbeiten und in Beziehungen bei – nicht in – den Dingen (und Personen) zu stehen und meint damit, sich nicht in die Dynamiken verstricken zu lassen, die diese in der Person zu entfesseln vermögen, sondern ein wenig Abstand zu halten, damit die innere Freiheit allzeit gewahrt werden kann; dass der Arbeitende Subjekt der Arbeit bleibt, fähig zu Abstand und in der Lage zu erkennen, wenn er sich verrennt und erschöpft oder dabei ist, Gewalt anzuwenden oder zu betrügen usw.. Von Ignatius, dem Gründer der Jesuiten, stammt der paradoxe Sinnspruch: bete, als ob alles von dir abhängt; arbeite, als ob alles von Gott abhängt. Gemeint ist, dass der Mensch sich alle Mühe geben soll, im Gebet den Willen Gottes zu erkennen, also ausfindig zu machen, was er zu tun hat, und wie es zu tun ist. Da aber der Erfolg dieses Tuns von Gott abhängt, kann er bei der Ausführung gelassen bleiben und frei von allen möglichen Antreibern.
Die globalisierte Welt befindet sich allerdings auf einem anderen Weg. Da steht man in den Dingen; Selbstausbeutung wird zur Lust erhoben, 24-Stunden-Erreichbarkeit verleiht einem Bedeutung, alles muss stets schneller und effizienter gehen. Nachdenken wird so unmöglich und Arbeiten in innerer Einheit und Freiheit auch. Gleichzeitg steigt die Zahl derjenigen, die ihren Alltag nur noch mit Psychopharmaka bewältigen können. Es macht mir Sorgen, wohin diese Entwicklung führt.
Ich schreibe Euch diese Gedanken zur Zeit des Jahresurlaubs. Er ist eine Chance, wieder „runter” zu kommen, „aus den Dingen” heraus, in den rechten Abstand zu ihnen. Im Alltag ist unsere Ashram-Methode des Innehaltens so etwas wie der tägliche Urlaub, der die Chance eröffnet, sich „bei den Dingen” aufzuhalten und seine innere Freiheit ihnen gegenüber zu wahren: Wäre es nicht ein erwägenswerter Gedanke, dies ab und an auch im Urlaub zu praktizieren und dann im Alltag damit weiterzumachen?
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Gebet
Bertram Dickerhof SJ, Mai 2015
Immer mal wieder stolpern unsere Gäste darüber, dass wir zwar ein Tischgebet haben, in den Schriftbetrachtungen über Gott oder Jesus sprechen, dass Gott, Christus,… jedoch in der Meditation selbst nicht explizit vorkommen, nicht angesprochen werden. Wenn das befremdet, ist es gut, vor allem, wenn das Befremden zum Gegenstand der Meditation wird und Fragen an sich selbst veranlasst: was einem dabei fehlt, welche eigene Erwartung enttäuscht wird, was das überhaupt für eine Person ist, an die man sich wendet, wenn man sich an Gott wendet. Das Bild von Gott, mit dem man es dabei zu tun hat, hat projektive Anteile. Oft soll mein Gott sich verhalten entsprechend der eigenen Vorstellungen von idealen Eltern. Das Problem besteht nicht nur darin, dass der wahre, transzendente Gott solche Erwartungen an sein Bild in seiner Über-Güte immer wieder enttäuschen muss, sondern auch in der reziproken Rollenzuschreibung an mich selbst: meinem Gottesbild – dem idealen Elternteil – steht umgekehrt auch ein illusionäres Selbstbild – z.B. des idealen Kindes – gegenüber, das sich Ansprüchen ausgesetzt sieht und vor ihnen versagt, die nicht vom wahren Gott kommen, und außerdem in einer Infantilität gefangen ist, die der wahre Gott nicht will.
Der Schmerz über das Verlieren des eigenen Gottesbildes, das sich auf dem Weg der Meditation zu ereignen beginnt, weicht bald einem Gefühl der Befreiung und Dankbarkeit. In der Tat mahnt die Schrift: „Du sollst dir kein Gottesbild machen.” (Dtn 4, 23)
Positiv reift das Gebet vom Sprechen mit Gott über ein Schweigen zum Hören auf Gott, dessen Wille auf dem Feld der eigenen inneren Bewegungen erkannt wird, indem diese zugelassen, angenommen und unterschieden werden. Da es gilt, auch mit denjenigen auszuhalten, die unerwünscht, störend, „kreuzigend” sind, wird dabei das eigene Herz gereinigt. Es sind „die Menschen reinen Herzens, die Gott schauen…” . Da diese Herzensreinigung als das Wesentliche sich von selbst ereignet, – der eigene Teil ist das Zustimmen zu diesem Prozess, das Aushalten, – kann das Gebet immer passiver werden. Mehr und mehr wird es zu einem Loslassen, Geschehenlassen, Sich Übergeben. Der Beter im Ashram sitzt vor Gott und entsagt mehr und mehr den eigenen Erwartungen und der Suche nach Befriedigung im Gebet, z.B. auch der, vor Gott sein Herz auszuschütten. Wozu auch? Was könnte er Gott sagen, was dieser nicht weiß? Der Beter im Ashram lässt alle eigene Aktivität, damit, was geschieht, nicht von ihm stamme. Was sich einstellt, ist Nichts, eine unsagbare, nüchterne und einfache Erfüllung.
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Die drei Heiligen Tage
Bertram Dickerhof SJ, April 2015
Gründonnerstag ist die Deutung der Passion durch Jesus selbst: er gibt sich in den Tod, damit die Vielen begreifen, dass das Durchleben der guten und der schlechten Stunden und das Tun des Gesollten bis zur Annahme des Todes der Weg zu ewigem Leben ist. So stirbt er aus Liebe für uns Menschen. Diese Grund legende Wahrheit ist uns in der Messe aufbewahrt.
Karfreitag ist die Vergegenwärtigung des Sterbens Jesu in Liebe und Würde, – und Vergegenwärtigung der vielen Kreuze, die Menschen tragen.
Ostern ist als existentieller Prozess der Jünger zu verstehen, in dem Jesus ihnen als Auferstandener erscheint. Insbesondere das Markusevangelium schildert immer wieder, dass die Jünger Jesus nicht wirklich verstehen konnten, solange er noch mit ihnen wanderte. Nun stirbt er am Kreuz, und damit verlieren sie nicht nur seine Nähe, sondern auch ihre Vorstellungen von Jesus zerbersten. Damit sind sie mitten in ihrer Passion angelangt, die für sie den Boden bereitet, die Auferstehung, die Jesus verheißen hat und der Engel im Grab verkündet, in Leben und Sterben, in der Person Jesu und ihrem Wirken entdecken zu können.Und tatsächlich widerfährt ihnen die Erkenntnis des „göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Jesu” (2 Kor 4,6), für den sie zu Lebzeiten Jesu blind waren. Hier schließt sich der Kreis zum Gründonnerstag: die Erkenntnis Jesu als Auferstandenem ist nur möglich in einem existentiellen Prozess, der einen mit dem Tod konfrontiert. Nur darin wird das menschliche Herz von seiner Verstocktheit so geheilt, dass die Augen des Menschen wirklich beginnen zu sehen und seine Ohren wirklich hören und verstehen. Das ist die Chance, die in den schwierigen Zeiten des Lebens liegt, – wenn man sich ihnen stellt. Jesus als Auferstandenen zu erkennen bedeutet zugleich, sich selbst als Kind Gottes zu erfahren.
Das lese ich aus dem Osterevangelium, wenn man es weniger als Auferstehungslegende ansieht, sondern als Verkündigung des Weges zur Disposition für eine Ostererfahrung der Gläubigen.
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Standhalten lernen
Bertram Dickerhof SJ, März 2015
Der Kern der Lebens- und Meditationsweise im Ashram Jesu besteht im Standhalten bei dem, was ist, sei es angenehm oder unangenehm. Doch stoße ich immer wieder darauf, dass dieser Kern sich nicht leicht erschließt. Das ist nicht verwunderlich; ist er doch dem üblichen Verhalten entgegengesetzt.
Wenn uns etwas aufregt, positiv oder negativ, geraten wir in Spannung, und sofort entsteht der Wunsch, die Spannung möge sich auflösen, erst recht, wenn sie mit Gefahr und Angst verbunden ist. Wie alle Säugetiere fliehen auch wir dann oder greifen an (oder, wenn gar nichts mehr hilft, stellen wir uns tot und machen uns fühllos).
Standhalten heisst nun, bei der Spannung und ihrer Ursache, jedenfalls bei dem, was ist, in Sichtweite stehen zu bleiben; also weder aus der Gefahr zu fliehen, z.B. durch Ablenkung (beim Sitzen: indem man sich auf etwas anderes konzentriert oder die Meditation abbricht), noch anzugreifen, durch irgendwelche Aktionen die Ursachen der Spannung wegzuschaffen (beim Sitzen: durch ein wenig Herumzappeln oder Nachdenken über die Situation). Bei der Spannung stehen zu bleiben heißt, nahe genug dran sein, um sie zu spüren und damit auch die Gefühle, die sie auslöst: ich habe dann Angst oder Freude oder Wut, bin aber nicht damit identifiziert , gehe nicht darin auf oder unter, himmelhoch zu jauchzen oder zu Tode betrübt von den Gefühlen überschwemmt zu werden. Die Spannung ist dann zwar ein Teil der Person, sie hat sie, aber sie ist nicht ganz und gar diese Spannung.
Zu realisieren ist ein solches Standhalten in der Weise, wie im Ashram Meditation geübt wird, nämlich durch Verweilen in der Wahrnehmung: der Meditierende nimmt die Spannung wahr, er spürt sie. Insofern er aber im Wahrnehmen verweilt, steht er der Spannung, dem Objekt seiner Wahrnehmung, als wahrnehmendes Subjekt gegenüber: er spürt sie, aber er ist sie nicht.
Der Buddhismus lehrt, bei der Meditation gleichermaßen Angenehmes wie Unangenehmes auszuhalten. Das Evangelium spricht von „Selbstverleugnung und Kreuztragen” und meint damit nicht den Alltag des Hörens, in dem das Leben gelebt werden soll.
Das ist ein langer Weg. Auch die Jünger im Evangelium müssen ihn erst lernen. Dabei genügt guter Wille allein nicht: die Festnahme Jesu schwemmte die Jünger einfach hinweg, entgegen ihrem festen Vorsatz; sie mussten fliehen.
Wieso das Standhalten gelernt werden soll? Lernt man es nicht, dann wird das eigene Leben immer mehr von Angst beherrscht und die Straße, auf der es einhergeht, immer enger, bis sie an einer undurchdringbaren Wand endet. Das ist aber zugleich die Lernchance schlechthin für denjenigen, der sich seiner Vermeidungsstrategien bewusst ist. Denn nun, an der Wand, wo die bisherigen Strategien offenkundig gescheitert sind, bleibt ihm noch das Standhalten, das er bisher gescheut hat. Nutzt er diese Chance, wird er merken: nicht alles, was die eigenen Vorstellungen enttäuscht, ist schlecht; nicht in allem, wo Tod draufsteht, ist tatsächlich Tod drin, sondern das wahre Leben.
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Beheimatung in sich selbst
Bertram Dickerhof SJ, Januar 2015
Die Welt hat in den letzten Wochen den Atem angehalten wegen der islamistischen Anschläge in Paris und weltweit – und ich halte ihn weiterhin an, wenn ich an die Ukraine, an Griechenland, an den ausbleibenden Aufschwung in Europa denke. Europa möchte größtmögliche Freiheit in Sicherheit und Wohlstand. Wie gelingt es jedoch, dass schwer erträgliche Meinungen stehen gelassen werden können, ohne dass diejenigen, die sie schwer ertragen, sich rächen wollen und gewalttätig werden? Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als so, dass die Beheimatung in sich selbst wächst: in diesem Fall würden sich außerdem äußere Werte wie Wohlstand, Karriere usw. relativieren; dann käme man dahin, „zu haben, als habe man nicht”; die Beheimatung in sich selbst ist ein starker Motor, seiner Verantwortung zu entsprechen, da andernfalls der innere Frieden gestört ist. In Bezug darauf und in Bezug auf die Kenntnis anderer Religionen hat der Ashram Jesu eine wichtige Aufgabe.
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Weihnachten
Bertram Dickerhof SJ, Dezember 2014
Im letzten Newsletter hatte ich dazu eingeladen, im Advent eine „virtuelle“ Meditationsgemeinschaft zu bilden. Fünfzig Personen sind dieser Idee gefolgt. Das hat mich gefreut. Ich selbst habe es als etwas Besonderes empfunden, zu Beginn meiner Meditation jeweils einige Personen aus dieser Gemeinschaft in Muße und Ruhe vor mir gegenwärtig werden zu lassen und mich mit ihnen zu verbinden.
Bis Weihnachten besteht diese Gemeinschaft noch.Weihnachten: bei den ein oder zwei „Ausbrüchen“ vom Schreibtisch, die ich im Advent unternehmen musste, habe ich festgestellt, dass die Weihnachtsmärkte immer ausladender werden und nun auch an romantischen Stellen stattfinden: in einer Burgruine, bei einem Kloster, um eine Waldschänke , – und die Tannen immer aufwändiger und kostbarer geziert werden. Das ist schön, doch Weihnachten wird es dadurch noch nicht. Weihnachten kann es werden, wenn wir die Sehnsucht spüren, die unser ganzes Leben durchdringt, und ihre Unerfülltheit jetzt. Mit der Arbeit an der Erfüllung unserer Wünsche und Vorstellungen befinden wir uns in der Stadt Bethlehem, um mit der Weihnachtsgeschichte (Lk 2, 1-20) zu sprechen. Maria und Josef stellten sich vor, dort Herberge zu finden und suchten danach. Da aber innerhalb der Stadt kein Bewusstsein ist für jene Sehnsucht, und schon gar nicht für ihre Unerfülltheit, gibt es keinen Platz für Jesus. Er kann dort nicht geboren werden. Er wird draußen vor der Stadt geboren, in der Nacht, auf freiem Gelände. Hier hat die Unerfülltheit unserer Sehnsucht ihr Zuhause, der Sehnsucht, die hinter all unserem Streben steht. Verspüren wir jedoch diese Unerfülltheit und zugleich die Sehnsucht, – was den Schmerz zunächst tiefer macht, – sind wir wie die Hirten, die „nachts auf dem Feld wachen“. Sie erleben das Licht der Engel, vernehmen ihre Botschaft und finden in sich selbst das göttliche Neugeborene, den Anfang neuen, göttlichen Lebens.
Wir leben in Städten. Doch nicht nur an unserem eigenen Leben, auch am Zustand der Welt ist die Unerfülltheit jener Sehnsucht abzulesen, die wir als Menschen zutiefst in unserem Herzen tragen, und die all unser Machen und Getue nicht erfüllen kann. In diesem Sinn wünsche ich Euch allen, dass der Erlöser in Euch selbst geboren wird. Dann wird das neue Jahr gesegnet sein.
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Virtuelle Meditationsgemeinschaft
Bertram Dickerhof SJ, November 2014
Wer, wie ich, sich dieser Tage in ein Kaufhaus verirrt, merkt schon unterm Eingang, dass Weihnachten und der Jahreswechsel nicht mehr fern sind.
Den Jahreswechsel kann man auch im Ashram Jesu begehen, d.h. in Stille, mit den üblichen vier Meditationen und viel Luft für einen selbst, um spazierenzugehen, sich auszuruhen und/oder sich mit den Anregungen zu beschäftigen, die es im Ashram gibt. Wir bieten jedes Jahr zwei auch kombinierbare Kurse vom 28. Dezember bis zum 01. Januar und vom 01. Januar bis 5. oder 6. Januar an.
Das Weihnachtsfest möchte ich zum Anlass nehmen, allen zu danken, die den Ashram Jesu in diesem Jahr unterstützt haben, ob ideell und/oder materiell. In besonderer Weise gilt mein Dank den Mitgliedern des Unterstützer*innenkreises, die uns durch ihre Spendenzusage eine Berechenbarkeit der Einnahmen und damit eine gewisse Sicherheit ermöglichen. Die Unterstützer*innen möchte ich schon jetzt zum Wochenende über Pfingsten (23. – 25. Mai 2015) einladen.
Wer Weihnachten zum Anlass nimmt, über seine Spendenpraxis nachzudenken, den bitte ich, auch einen Beitritt zum Unterstützer*innenkreis des Ashram Jesu zu erwägen (Flyer). Da meine Kräfte mit den Aufgaben im Ashram nicht mitwachsen, kann ich fortan keine Kursverpflichtungen außerhalb mehr eingehen. Die Honorare aus solchen externen Kursen haben die Jesuiten großzügig dem Ashram überlassen, dem sie nun verloren gehen.
Nun steht also der Advent vor der Tür, eine Zeit des Innehaltens. Ich freue mich darauf. Ich werde an meinem Buch arbeiten, damit es 2016 erscheinen kann. Da das um so besser geht, je mehr ich im Kontakt mit meiner Tiefe lebe, in welcher die Dinge sich zeigen, wie sie wirklich sind, bin ich zum Meditieren geradezu „gezwungen“. Um die Zeit und Ruhe dafür zu haben, will ich meine wenigen Weihnachtsgeschenke noch im November besorgen. Die Vorbereitung der Weihnachtstage selbst braucht im Ashram nicht viel Aufwand. Wollt nicht auch Ihr das Geschäftliche und Geschäftige in die Schranken verweisen, um den Advent besinnlicher gestalten und im Advent täglich meditieren zu können? Wir könnten doch eine Meditationsgemeinschaft im Advent bilden, jeder an seinem Ort, doch voneinander wissend, dass wir der Stille und dem Innehalten bewusst Raum geben. Wenn Ihr mir eine E-Mail schickt , werde ich Euer gedenken, und, wenn Ihr mir das erlaubt, Euren Namen an alle anderen zu gegenseitigem Gedenken weitergeben, die sich beteiligen und mir ebenfalls ihre Namen mailen.